15 Mrz Wie gefährlich ist Huawei?
Mit einem Team hat sich das Handelsblatt den chinesischen Netzausrüster Huawei näher angesehen. Schon heute steckt die Technik der Chinesen in allen drei Mobilfunknetzen. Bei der künftigen Mobilfunkgeneration 5G gilt Huawei als global führend. Aber die USA werfen der Firma vor, die Cybersicherheit zu gefährden und der chinesischen Regierung nahezustehen. Stimmt das? Im Video-Report geht dem Handelsblatt den wichtigsten Fragen nach.
Zudem setzte sich ein Team von Handelsblatt-Journalisten über Wochen daran, die Arbeit und Geschichte des Konzerns im Detail nachzuvollziehen. In China, den USA und Europa sprachen Reporter mit Huawei-Mitarbeitern, Regierungsvertretern und Branchenexperten. Dabei entstand ein Bild eines digitalen Großkonzerns, der zu einem der wichtigsten Technologieunternehmen unserer Zeit geworden ist. Der aber gleichzeitig massiv in der Kritik steht.
Wichtige Ergebnisse:
- Gründer Ren Zhengfei ist der Schlüssel zum Verständnis des Konzerns.
- Huawei ist dank des Geschäftes in China so groß geworden.
- Technik von Huawei steckt tief in der deutschen Infrastruktur.
- Bislang wurden dem Konzern keine Hintertüren in Produkten nachgewiesen.
- Chinesische Gesetze könnten die Firma zur Kooperation mit Pekinger Behörden zwingen.
Den Report können Sie hier nachlesen: Handelsblatt-Report.
Wichtige Fragen und Antworten zu Huawei
Wie ist Huawei entstanden?
Huawei wurde 1987 von Ren Zhengfei gegründet, einem ehemaligen Ingenieur der Volksbefreiungsarmee. Ren Zhengfei hatte die Vision, China mit moderner Telekommunikationstechnologie zu versorgen und die digitale Kluft zwischen Stadt und Land zu verringern. Er startete Huawei mit einem Startkapital von 21.000 Yuan (ca. 2.700 Euro) und einem Team von 14 Mitarbeitern in Shenzhen, einer Sonderwirtschaftszone im Süden Chinas. Anfangs verkaufte Huawei Telefonanlagen an kleine Unternehmen und ländliche Gebiete in China. Später begann Huawei, eigene Produkte zu entwickeln und zu produzieren, wie zum Beispiel digitale Vermittlungsstellen, Mobilfunknetze und optische Übertragungssysteme.
Wer ist Ren Zhengfei?
Ren Zhengfei ist der Gründer und CEO von Huawei. Er wurde 1944 in einer armen Bauernfamilie in der Provinz Guizhou geboren. Er studierte an der Chongqing Institute of Civil Engineering and Architecture und schloss sich 1974 der Volksbefreiungsarmee an, wo er als Ingenieur für die Forschung und Entwicklung von Militärtechnologie zuständig war. Nach seiner Entlassung aus dem Militär 1983 arbeitete er kurzzeitig für eine staatliche Ölgesellschaft, bevor er 1987 Huawei gründete.
Was zeichnet Ren Zhengfei als Unternehmer aus?
Ren Zhengfei gilt als einer der einflussreichsten Unternehmer Chinas. Er hat Huawei zu einem globalen Marktführer in der ICT-Branche gemacht, indem er eine starke Unternehmenskultur geschaffen hat, die auf Innovation, Kundenorientierung und Mitarbeiterbeteiligung basiert. Ren Zhengfei ist bekannt für seinen militaristischen Führungsstil. Er verlangt seinen Mitarbeitenden viel ab. Er legt großen Wert auf die Aus- und Weiterbildung seiner Mitarbeiter und fördert den internen Wettbewerb zwischen verschiedenen Geschäftsbereichen. Es ist unklar, wie viele der Anteile an Huawei Ren aktuell hält.
Wie wurde Huawei international erfolgreich?
Huawei begann seine internationale Expansion in den 1990er Jahren, als es seine Produkte nach Russland, Südamerika, Afrika und Asien exportierte. Huawei nutzte seine Kostenvorteile, seine technologische Expertise und seine kundenspezifischen Lösungen, um sich einen Ruf als zuverlässiger und innovativer Partner für Telekommunikationsbetreiber aufzubauen. Huawei investierte auch stark in Forschung und Entwicklung (F&E), um seine technologische Führerschaft zu stärken. Heute betreibt Huawei 28 F&E-Zentren in 17 Ländern und beschäftigt mehr als 80.000 Mitarbeitende in Forschung und Entwicklung – vor allem in China.
Was sind die wichtigsten Produkte von Huawei?
Huawei bietet ein breites Portfolio von ICT-Produkten und -Lösungen an, das vier Hauptgeschäftsbereiche umfasst: Carrier Network, Enterprise Business, Consumer Business und Cloud & AI. Huawei war ursprünglich auf Produkte für die Mobilfunk-Infrastruktur konzentriert. Heute baut die Firma auch Smartphone, entwickelt Computerchips und hat etliche Endgeräte für Konsumenten im Angebot wie Fitnessbänder oder Tablets.
Huawei wird von allen drei Netzbetreibern in Deutschland als Lieferant genutzt, warum?
Huawei ist ein wichtiger Partner für die deutschen Netzbetreiber Deutsche Telekom, Vodafone und Telefónica (O2), die alle Huawei-Ausrüstung für ihre Mobilfunk- und Festnetznetze nutzen. Huawei ist vor allem zu einem wichtigen Partner geworden, weil die Firma deutlich günstigere Preise als die europäischen Wettbewerber Nokia und Ericsson anbieten konnte. 5G soll höhere Geschwindigkeiten, geringere Latenzzeiten und mehr Kapazität ermöglichen, was neue Anwendungen wie autonomes Fahren, virtuelle Realität und Industrie 4.0 eröffnet. Huawei hat bereits mehrere 5G-Testfelder in Deutschland eingerichtet und mit den Netzbetreibern zusammengearbeitet.
Was ist die Kritik an Huawei?
Huawei steht jedoch auch unter Kritik, vor allem aus den USA, die Huawei beschuldigen, eine Bedrohung für die nationale Sicherheit zu sein. Die USA werfen Huawei vor, dass es enge Verbindungen zur chinesischen Regierung hat und dass es seine Produkte nutzen könnte, um Spionage oder Sabotage zu betreiben. Die USA haben daher Huawei mit Sanktionen belegt, die es dem Unternehmen verbieten, US-Technologie zu verwenden oder mit US-Firmen zu handeln. Die Sanktionen haben auch Auswirkungen auf Huaweis Smartphone-Geschäft, da es keinen Zugang mehr zu Google-Diensten wie dem Play Store oder Gmail hat.
Welche Belege gibt es für die Spionage-Vorwürfe gegen Huawei?
US-Sicherheitsbehörden sagen, dass Huawei heimliche Zugänge zu den Überwachungsschnittstellen in Mobilfunknetzen hat, die eigentlich nur für Strafverfolgungsbehörden gedacht sind. Diese sogenannten Hintertüren könnten es Huawei ermöglichen, Daten abzufangen oder Netzwerke zu sabotieren. Die USA berufen sich dabei auf geheime Erkenntnisse. Öffentlich zugängliche Nachweise für eine Spionage durch Huawei sind umstritten. Huawei weist die Vorwürfe zurück und betont, dass es als Privatunternehmen unabhängig von der chinesischen Regierung ist. Das Unternehmen sagt, dass es keine Hintertüren in seine Technik einbaut und sich an die Gesetze der Länder hält, in denen es tätig ist. Huawei bietet zudem an, seine Produkte von unabhängigen Prüfstellen testen zu lassen, um das Vertrauen der Kunden zu stärken.
Wieso sind Huawei-Mitarbeiter in Polen verurteilt worden?
Im Januar 2019 wurden ein chinesischer Huawei-Vertriebsleiter und ein polnischer Cybersicherheitsexperte in Polen unter Spionageverdacht festgenommen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen vor, im Auftrag des chinesischen Geheimdienstes Spionage betrieben zu haben, ihnen drohen bis zu zehn Jahre Haft. Der Huawei-Mitarbeiter war früher im chinesischen Konsulat in Danzig tätig und verantwortete die Beziehungen zu den polnischen Behörden. Der polnische Experte war ein ehemaliger hochrangiger Offizier des polnischen Inlandsgeheimdienstes ABW. Die Festnahmen führten zu Durchsuchungen der Huawei-Büros in Polen. Huawei hat den chinesischen Mitarbeiter nach seiner Verhaftung entlassen und betont, dass die Vorwürfe nichts mit dem Unternehmen zu tun hätten.
Wie ist die Gesetzeslage für Huawei in China? Ist die Firma zur Kooperation mit chinesischen Sicherheitsbehörden verpflichtet?
Firmen in China unterstehen der Regierung beziehungsweise der Kommunistischen Partei. In den letzten Jahren hat der Staat den Zugriff von Sicherheitsbehörden im Land massiv erweitert. Diesen Regeln unterliegt auch Huawei. China in den letzten Jahren unter anderem seine Cybersicherheitsgesetze verschärft, die unter anderem vorschreiben, dass Internetanbieter Nutzerdaten im Zweifel an den Staat herausgeben müssen. Außerdem hat China ein Nationales Sicherheitsgesetz erlassen, das weitreichende Befugnisse für die Bekämpfung von Bedrohungen für die nationale Sicherheit vorsieht. Diese Gesetze könnten auch auf Huawei angewendet werden, wenn die Regierung dies für nötig hält.
Länder wie Schweden haben Huawei in ihren 5G-Netzen verboten, wieso?
Huawei ist einer der führenden Anbieter von 5G-Technologie, die eine schnellere und zuverlässigere Datenübertragung ermöglicht. Allerdings befürchten einige Länder, dass Huawei seine 5G-Ausrüstung für Spionage oder Sabotage nutzen könnte, indem es Hintertüren für den Zugriff durch die chinesische Regierung einbaut oder die Netzwerke bei einem Konflikt abschaltet. Diese Befürchtungen werden durch das chinesische Gesetz verstärkt, das alle Unternehmen verpflichtet, mit den Sicherheitsbehörden zusammenzuarbeiten. Die USA haben Huawei schon seit längerem aus ihren 5G-Netzen ausgeschlossen und andere Länder wie Großbritannien, Japan, Australien und Neuseeland dazu gedrängt, es ihnen gleichzutun. Schweden hat im Oktober 2020 ebenfalls ein Verbot von Huawei und einem anderen chinesischen Anbieter, ZTE, für sein 5G-Netz angekündigt, das bis zum Jahr 2025 umgesetzt werden soll. Schweden begründete seine Entscheidung mit der nationalen Sicherheit und dem Schutz seiner Bürger.
Welche Rolle nimmt Deutschland im Streit um Huawei ein?
Deutschland ist einer der wichtigsten Märkte für Huawei in Europa und ein strategischer Partner für den 5G-Ausbau. Huawei arbeitet seit Jahren mit deutschen Telekomanbietern wie der Deutschen Telekom, Vodafone und Telefonica zusammen und hat mehrere Forschungs- und Entwicklungszentren in Deutschland. Allerdings steht Deutschland auch unter dem Druck seiner Verbündeten, insbesondere der USA, Huawei aus seinem 5G-Netz auszuschließen. Die Bundesregierung hat bisher kein grundsätzliches Verbot von Huawei erlassen, sondern sich für einen risikobasierten Ansatz entschieden, der eine sorgfältige Prüfung der Anbieter vorsieht. Im Dezember 2020 hat der Bundestag ein neues IT-Sicherheitsgesetz verabschiedet, das höhere Anforderungen an die Sicherheit und Transparenz der Telekommunikationsausrüster stellt.